„Katerstudie“ – was ist wirklich nützlich?

Ich bin ein friedliebender Mensch. Aber manchmal rege ich mich doch gerne mal auf, besonders in wissenschaftlichen Fragen. Daher freute ich mich ein wenig, als ich im Radio von der sogenannten Katerstudie (die Alkohol-Nachwirkungen, nicht das Tier) aus Mainz hörte.

Zunächst mal: worum geht es dabei?

Für seine Masterarbeit entwickelte Patrick Schmitt ein Anti-Katermittel. Es enthält Auszüge aus Ginkgo, Ingwer, Kaktusfeige und Acerola, außerdem Mineralstoffe, Elektrolyte und Vitamine, und soll freie Radikale „einfangen“, die beim Konsum von größeren Mengen Alkohol entstehen und für die Katersymptome zumindest teilweise verantwortlich gemacht werden.

Für die Studie tranken 250 Probanden innerhalb von vier Stunden Alkohol: Bier, Wein, Radler oder Weinschorle. Wasser stand auch zur Verfügung und jeder entschied selbst, wieviel er oder sie trinken wollte. Das Anti-Katermittel (bzw. eine Elektrolytlösung oder ein Placebo, je nach Gruppe) nahmen die Probanden einmal vor dem Trinken und noch einmal vor dem Schlafengehen ein. Am nächsten Morgen mussten sie ihre Katersymptome einstufen. Noch gibt es keine vollständige Auswertung, trotzdem ist Patrick Schmitt überzeugt, dass das Mittel wirkt. Das alleine ist schon Grund zur Aufregung für mich – wenn man vor der Auswertung bereits feste Überzeugungen hat, kann man die Daten kaum noch objektiv bewerten. So sehr man sich bemühen mag – unbewusst fließen die Erwartungen in die Analyse ein.

Mein eigentliches Problem mit der Geschichte ist jedoch grundlegender. Ich selbst habe für meine Master- und Doktorarbeit Forschungen zu Alkoholkonsum und Abhängigkeit angestellt. Und eine Ansicht, mit der man oft konfrontiert wird, ist, dass Alkoholkranke sich einfach zusammenreißen und auf den Alkohol verzichten sollen. Noch immer ist es gesellschaftlich schwer, Alkoholsucht als Krankheit zu verstehen, über die man eine sehr limitierte Kontrolle hat und die das Gehirn stark verändert. Bevor man also das übermäßige Trinken als vollkommen normal klassifiziert und nur nach einer Erleichterung der Konsequenzen sucht, sollte man lieber mehr daran setzen, zu hohen Konsum zu unterbinden bzw. das Suchtverhalten zu erforschen.

Die Studie sagt meiner Meinung nach ‚Es ist ok, zu viel zu trinken. Man kann ja was gegen den Kater tun.‘ Dass das Trinken noch ganz andere, nicht sofort spürbare Konsequenzen auf den gesamten Körper hat, rückt damit in den Hintergrund.

Im Radio sagte Schmitt, Studien hätten erwiesen, dass Kater die Menschen nicht davon abhält, beim nächsten Mal wieder zu viel zu trinken. Das mag stimmen, obwohl man kaum sagen kann, ob der Kater vielleicht wenigstens eine Eskalation unwahrscheinlicher macht. Von mir selbst kann ich übrigens berichten, dass der einzige Kater, den ich je hatte, mein Trinkverhalten durchaus beeinflusst hat. Da bin ich wohl eine statistische Abweichung.
Andererseits sagt Alkoholforscher und Psychiater Dr. Wolfgang Sommer, dass Menschen eher alkoholsüchtig werden, wenn sie den Alkohol gut vertragen und dadurch die negativen Konsequenzen des Trinkens nicht gut wahrnehmen. Dabei meint er zwar die akuten Effekte des Alkohols (Schwindel, Übelkeit, Verlust der Sprache etc. während des Rausches), aber letztendlich gehört all das zusammen.

Schmitt sagte auch, dass das Mittel vor allem für Menschen gedacht ist, die kaum Alkohol vertragen und deshalb kaum etwas trinken können. Na super. Erstens hat es wohl einen Grund, warum ihr Körper den Alkohol schneller ablehnt. Zweitens: gut für sie, denn ihr Risiko, anhängig zu werden, ist geringer. Drittens kann man nicht kontrollieren, wer das Zeug kauft und nutzt. Und ich würde wetten, dass es genau die Menschen sind, die oft und gerne deutlich zu viel trinken. Die anderen sind nämlich oft damit zufrieden, sich auf wenig Alkohol pro Abend zu beschränken. Im schlimmsten Fall bedienen sich Jugendliche und junge Erwachsene bei dem Anti-Katermittel, die ihre Grenzen noch gar nicht richtig kennen und sie nun auch nicht mehr kennenlernen können.

Falls das Mittel denn wirkt.

Meine Kritik also nochmal kurz zusammengefasst: Versucht nicht dafür zu sorgen, dass Menschen problemlos größere Mengen Alkohol trinken können. Sorgt dafür, dass sie nicht das Bedürfnis verspüren, und helft denjenigen, die bereits eine psychische Erkrankung entwickelt haben und sich nicht ‚einfach zusammenreißen‘ können!

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