Ich sehe, was ich glaube

In letzter Zeit habe ich immer mehr das Gefühl, die Welt wird verrückt. (Obwohl mir bewusst ist, dass sie was wahrscheinlich schon immer war.) Auf der einen Seite haben wir Wissenschaftler, die Erklärungen für bisher Unerklärliches finden, die sicher auch Fehler machen, aber dennoch das Wissen der Menschheit voranbringen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen (teilweise in wichtigen politischen Ämtern), die den erwiesenen Klimawandel leugnen. Es gibt Reichsbürger. Es gibt Menschen, die behaupten, alle Ausländer seien kriminell. Sogar welche, die glauben, die Welt sei eine Scheibe. Kurz: es gibt Idioten.

Als Wissenschaftsjournalistin habe ich kaum politische Kompetenzen, abgesehen von meinem Interesse daran, was in der Welt passiert. Und das Wort Idiot ist eine ganz eindeutige Meinungsäußerung – vermutlich auch nicht gerade professionell. Aber ich bin ein Mensch, und ich habe genauso wie jeder andere Mensch Dinge, an die ich glaube. Bin ich unvoreingenommen? Nein, ganz sicher nicht. Denn wie jeder andere auch unterliege ich zum Beispiel Bestätigungsfehlern.

Bestätigungsfehler, Confirmation bias

Es ist ein Begriff aus der Psychologie, der im Prinzip folgendes ausdrückt: Wenn wir von etwas überzeugt sind, sehen wir eher die Bestätigungen dafür als Dinge, die dagegensprechen. Eine Studie hat nun untersucht, wie genau das funktioniert. Nehmen wir generell weniger neue Informationen zu einem Thema auf, zu dem wir uns schon entschieden haben? Oder filtert unser Gehirn neue Informationen und gewichtet diejenigen mehr, die zu unserem bisherigen Weltbild passen? Laut dem Doktoranden Bharath Chandra Talluri, seinem Mentor Prof. Dr. Tobias Donner und weiteren Kollegen scheint es die zweite Version zu sein: Was wir neu aufnehmen, orientiert sich an dem, was wir schon wissen. Dabei werden Informationen, die zu unseren Überzeugungen passen, effizienter verarbeitet und gespeichert.

Bestätigungsfehler finden sich laut Talluri et al. schon bei den unwichtigsten Dingen – in der Studie mussten die Teilnehmer zum Beispiel darüber urteilen, ob sich Punkte eher im Uhrzeigersinn oder dagegen bewegen, und wieviel. Nicht gerade eine lebenswichtige Frage.

Um nochmal deutlich zu machen, was das alles bedeutet, am Beispiel Ausländer: Wenn ich davon ausgehe, dass alle Ausländer kriminell sind, dann sehe ich überall die Schlagzeilen, wenn ein Ausländer ein Verbrechen begangen hat. Was ich nicht sehe – was mein Gehirn für mich ausblendet oder als unwichtig abstempelt – sind einerseits ähnliche Verbrechen von Deutschen. Und andererseits die vielen Ausländer/Immigranten, die entweder nichts Böses tun, oder sogar viel Gutes.

Leider ist das nicht einmal der einzige Grund, warum es oben aufgeführte (und andere) Idioten noch immer gibt.

Feedback vs. Fakten

Es sieht so aus, als stützten wir uns eher auf die Reaktionen, die wir aus unserem Umfeld bekommen, als auf tatsächliche Fakten. Ob ich Ahnung von einem Thema habe oder nicht: bekomme ich Zustimmung als Antwort auf eine Aussage, fühle ich mich damit sicherer als vorher. Nehme ich neue Informationen auf diese Art auf, lerne ich also das, was mein Umfeld als richtig ansieht. Nicht unbedingt das, was erwiesen ist. Das kann dazu führen, dass falsche Meinungen sich immer weiter vertiefen, denn wenn man zum Beispiel in einem Haushalt voller AfD-Wähler lebt, werden entsprechend negative Parolen sicher eher mit positivem Feedback belohnt.
Auch ein anderer Aspekt spielt da hinein: Wenn man glaubt, schon viel über ein Thema zu wissen, strengt man sich weniger an, mehr darüber zu lernen. Einer falschen Theorie, der man sich verbunden fühlt, stellt man also weniger und weniger Fakten entgegen, da man ja glaubt, ohnehin nichts neues mehr herausfinden zu können. So fällt einem gar nicht erst auf, dass wichtige Puzzleteile im eigenen Verständnis fehlen.

Mein Fazit

Schützt mich das Wissen um solche „Fallen“ meines Gehirns vor Fehlern? Ich glaube nicht. Soweit ich weiß, gibt es dazu keine Studien. Immerhin weiß ich, dass ich mich auch irren kann. Und ich werde mir vornehmen, offener für andere Perspektiven zu sein – wobei ich jetzt schon weiß, dass mir das bei bestimmten Themen nicht gelingen wird. Wichtig finde ich jedenfalls, immer neugierig zu bleiben und niemals zu denken, man wüsste alles über ein Thema. Wenn mehr Menschen neugierig wären, anstatt auf ihre Meinung zu beharren, sähe die Welt vielleicht ein bisschen besser aus.