Ich hatte ein Update versprochen. Der Januar ist vorbei, der „Dry January“ damit ebenfalls.
Für mich ist es gut gelaufen – ich bin selten in Versuchung gekommen und habe bis zum Ende problemlos durchgehalten. Das sehe ich als gutes Zeichen.
Irgendwelche positiven Effekte?
Nun, nicht wirklich. Gut gefühlt habe ich mich sowieso. Schlafen kann ich wunderbar, solange die Kinder mich lassen – und die scheren sich nicht darum, wer wann wieso Alkohol getrunken hat. Erfolgserlebnis? Vielleicht ein bisschen, aber ich war mir von Anfang an sicher, dass ich den Monat schaffen würde, also vielleicht eher ein „Erwartungen erfüllt“. Und Gewichtsverlust? Dass ich nicht lache… Dabei habe ich zusätzlich auf Schokolade verzichtet. Aber Chips, Baguette mit Aioli, Kochkäsbrot und sooo viele andere Dinge schmecken eben auch super. Und ich fürchte, einen Monat komplett aufs Essen zu verzichten ist weder gesund, noch hätte ich Lust drauf. 😉
Trotzdem bin ich froh, dass ich es gemacht habe. Es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich den Alkohol nicht brauche.
Was ist mir aufgefallen?
Dass es eigentlich nur eine Gelegenheit (pro Woche) gab, bei der ich gerne etwas getrunken hätte: den gemütlichen Freitag Abend mit meinem Mann.
Dass sogar Freunde, die selbst gar nicht so viel Alkohol trinken, mit einem „Oh wow, das könnte ich nicht“ reagieren. Warum denn eigentlich nicht?
Dass ich mich den ganzen Monat über intensiver als sonst mit dem Thema Alkohol beschäftigt habe (mal abgesehen von meiner Forschung zur Alkoholsucht während meines Studiums, aber das zählt nicht).
Allerdings erlebt jeder den Monat etwas anders. Für manche ist es schwieriger, in Gesellschaft nichts zu trinken, zum Beispiel in der Kneipe mit Freunden. Im Januar gehen sie dann teilweise lieber weniger aus, oder schwenken auf ein Café um. Für andere ist es eher die gemütliche Zeit zuhause auf der Couch oder bei einem guten Essen, wo der Alkohol fehlt. Aber: natürlich ist es alles eine Sache der Gewohnheit, und die verliert man nicht nach nur einem Monat Abstinenz. Wenn man es länger durchhält, bildet man irgendwann neue Gewohnheiten. Zum Beispiel könnte man ja bei einem leckeren Essen etwas Zitrone ins Wasser tun – und schon hat man einen Drink, der nicht einfach das gewohnte (langweilige) Glas Wasser ist. Wie lange es dauert, bis man den Alkohol nicht mehr vermisst? Ist wohl bei jedem anders.
Wie geht es weiter?
Ein wichtiger Aspekt des Dry January ist es, dass man ab Februar eben nicht so weitermacht, wie man im Dezember aufgehört hat. Für mich persönlich habe ich beschlossen, unter der Woche nichts zu trinken. Aber ich werde da nicht super streng sein. Zum Beispiel bei besonderen Anlässen ist der Wochentag egal.
Letztendlich würde ich sagen, es war eine gute Gelegenheit, den lieben Alkohol mal wieder mehr aus der Distanz zu betrachten. Den Schritt würde ich jedem empfehlen, der nicht bereits abhängig ist – in dem Fall sollte man wirklich mit einem Arzt darüber sprechen.
Woran erkenne ich, ob ich abhängig bin?
Die Frage habe ich in meiner Zeit als Suchtforscherin tatsächlich öfter gehört, deshalb möchte ich das hier noch kurz erläutern. Eine Abhängigkeit zu erkennen, ist nicht unbedingt einfach. Man kann nicht sagen „Wenn man jeden Tag ein Bier trinkt, ist man abhängig.“ Aber es gibt Kriterien, nach denen „Substance Use Disorder“ (Substanzgebrauchsstörungen) beurteilt werden, das gilt für Alkohol genauso wie für Nikotin und andere Drogen.
Die Kriterien nach dem Diagnosemanual DSM-5 (es gibt noch das ICD-10, aber ich persönlich finde das DSM-5 zugänglicher) sind wie folgt:
Von 11 Kriterien müssen mindestens 2 Merkmale innerhalb eines Jahres auftreten, um eine Substanzgebrauchsstörung zu diagnostizieren. Treffen mindestens 4 Kriterien zu, spricht man von einer schweren Störung:
- Wiederholter Konsum, der zu einem Versagen bei derErfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, inder Schule oder zu Hause führt
- Wiederholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann
- Wiederholter Konsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
- Toleranzentwicklung gekennzeichnet durch Dosissteigerung oder verminderte Wirkung
- Entzugssymptome oder deren Vermeidung durchSubstanzkonsum
- Konsum länger oder in größeren Mengen als geplant (Kontrollverlust)
- Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
- Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum derSubstanz sowie Erholen von der Wirkung
- Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunstendes Substanzkonsums
- Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis von körperlichen oder psychischen Problemen
- Craving, starkes Verlangen oder Drang die Substanz zukonsumieren
(Aus: DSM-5: Die Aufhebung der Unterscheidung von Abhängigkeit und Missbrauch und die Öffnung für Verhaltenssüchtige. Rumpf H.-J. & Kiever F. für den Vorschand der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). 2011, SUCHT, 57(1):45-48)